„Europa ist nicht zu definieren ohne eine jüdische Geschichte“. So Johannes Voggenhubers Schlussbemerkung bei der Podiumsdiskussion im Zentrum der Israelischen Kultusgemeinde zum Thema Judentum, Populismus und Europa.
Wien – Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, fand im Zentrum der Israelischen Kultusgemeinde eine Podiumsdiskussion zum Thema Minderheitenschutz, jüdischem Leben und Rassismus in Europa statt. Othmar Karas (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Johannes Voggenhuber (1Europa/Liste Jetzt), Karin Feldinger (Neos) und Thomas Waitz (Die Grünen) diskutierten. Corinna Milborn moderierte.
Europa in Gefahr
Mit dem Vorwissen um die Bedeutung des 8. Mai für Österreich, die jüdische Bevölkerung und ganz Europa wurde von den KandidatInnen zu Beginn natürlich auf jenes geschichtsträchtige Datum eingegangen. Voggenhuber ging so weit, den 8. Mai den Geburtstag Europas zu nennen. Er sei jener Tag, an dem Europa zum „bisweilen uneingelösten Versprechen wurde, Nationalismus, Rassismus und autoritäres Denken zu überwinden.“
Die DiskutantInnen waren sich einig, dass diese drei mehr denn je bekämpft werden müssen. So drehte sich die Diskussion insbesondre um Antisemitismus, Populismus und Demokratiefeindlichkeit. Aber auch um die Beziehung Europas zu Israel. Gerade jene sei widersprüchlich, so Waitz, nach außen hin korrekt und passend, im Inneren aber nicht entschlossen und eindeutig. Voggenhuber erwähnte dazu, dass Antisemitismus immer noch oft nicht reflektiert werde und auch im linken Lager und sogar in EU-Gremien vorkäme.
In der EU hätte man es verpasst, den Anfängen zu wehren, so Voggenhuber. Ungarn sei beispielhaft für den schwierigen Umgang der EU mit dem Rechtspopulismus. Sündenbockpolitik, wie es Waitz nennt, werde zur Staatspolitik erhoben und die Schuld für Missstände gewissen Bevölkerungsgruppen in die Schuhe geschoben. Die antisemitische Kampagne gegen den Milliardär und Investor George Soros in Ungarn falle etwa darunter. Die KandidatInnen waren sich einig, dass die EU auf solche Entwicklungen zu spät reagiert habe. Als späte Maßnahme gegen Rechtsextremismus und Faschismus könne sich Andreas Schieder ein gesamteuropäisches Verbotsgesetz nach österreichischem Vorbild vorstellen.
„Wir dienen nicht als Feigenblatt!“
Der Ausschluss der FPÖ von der Diskussion wurde von Oskar Deutsch mit ihrer antieuropäischen Haltung begründet. Bini Guttmann, Präsident der Jüdischen österreichischen HochschülerInnen, fand noch deutlichere Worte dafür. Gerade am 8. Mai, dem Tag der endgültigen Kapitulation von Nazi-Deutschland, müsse man noch einmal ganz genau betonen, wie wichtig der antifaschistische Grundkonsens sei. „Wir tragen nicht zur Normalisierung von Antisemitismus und Rassismus bei und auch wenn die FPÖ sich neuerdings versucht an Israel und an die jüdische Gemeinde anzubiedern, wir dienen nicht als Feigenblatt“, so Guttmann.
Erfrischend, dass man nicht 50% der Zeit mit einer menschenverachtenden Rhetorik umgehen müsse, bewertete Feldinger pointiert das Fehlen der Freiheitlichen. Mit dieser Ansicht war sie nicht alleine. Natürlich nicht grundlos: Der größte inhaltliche Gegenwind war somit für alle Anwesenden gebannt. Außerdem konnte so die streitbare Grundsatzfrage, ob für oder gegen die EU, zumindest bei dieser Diskussion weggelassen werden. Geschadet hat das der Diskussion nicht. Ganz im Gegenteil.
Die Diskussion kann man hier nachsehen.