„How to EU-Parlament“ – Monika Vana und Ulrike Lunacek im Gespräch

Auf dem Bild sind Vana, Lunacek, Kittl und Maier beim Zoom-Meeting zu sehen.

Bei der „How to EU-Parlament“-Veranstaltung am 30. April von 18 bis 20 Uhr wurden Themen rund um das EU-Parlament und die Europawahl am 9. Juni 2024 besprochen. Dabei beantworteten Monika Vana und Ulrike Lunacek abwechselnd Fragen von der Moderatorin Elisabeth Kittl. Die Veranstaltung konnte sowohl live im 4. Bezirk in Wien als auch online via Zoom besucht werden. „How to EU-Parlament“ wurde von der Grünen Bildungswerkstatt Wien (GBW) veranstaltet. Bei der live-Veranstaltung war die GenerationPlus Wien von den Grünen vertreten.

Als Einleitung in die Veranstaltung stellte Kittl Informationen über Vana und Lunacek bereit. Danach folgten Fragen an die beiden. Als letzter Programmpunkt wurden die Fragen der Teilnehmer:innen beantwortet.

Der Grund für die Veranstaltung war, Informationen darüber weiterzugeben, was bei der kurz bevorstehenden Europawahl 2024 gewählt wird sowie über die Wichtigkeit der Europawahl zu informieren.

Hintergrund

Lunacek war Abgeordnete zum Nationalrat (1999-2009) und zum Europaparlament (2009-2017). Außerdem war sie auch Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments (2014-2017). 2020 war sie fünf Monate lang Staatssekretärin für Kunst und Kultur. Heute ist sie Autorin, Moderatorin und Referentin.

Vana ist derzeit Mitglied des Europaparlaments für die Grünen. Sie ist Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament. Dieser Tätigkeit geht sie seit Juli 2014 nach. Bei der Europawahl 2024 kandidiert Vana nicht mehr. Auf Nachfrage, warum sie nicht mehr kandidiert, antwortete sie: „Ich bin jetzt fast 30 Jahre in der Politik in verschiedenen Funktionen. Es ist für mich Zeit, die Staffel an eine neue Generation zu übergeben. Ich bin mit Herz und Leidenschaft Europaexpertin und werde mein Wissen und meine Erfahrung künftig anderweitig einsetzen.“

Die Grüne Bildungswerkstatt Wien (GBW) will mit dem Fokus auf grüne Inhalte die Bildung zum Thema Politik fördern. Bei der Veranstaltung waren Clemens Maier als Technikunterstützung und auch die Obfrau Kittl als Moderatorin dabei.

Kittl ist, neben ihrer Tätigkeit als Obfrau der GBW, auch Mitglied des Bundesrats der grünen Partei und Bezirksrätin in der Brigittenau.

EU-Parlament

Die Europäischen Parteien können auf Europäischer Ebene andere Namen als auf nationaler Ebene haben. Die Wahlkämpfe selbst werden von den einzelnen Parteien, nicht von den Fraktionen, im Europäischen Parlament bestritten.

Zum Thema Fraktionen gab Lunacek an, dass es unterschiedlich viele geben kann. Fraktionen sind dabei Zusammenschlüsse von einer oder mehreren Parteien im Europaparlament. Die Fraktion der Grünen/EFA (Freie Europäische Allianz) besteht aus mehreren Parteien: den Europäischen Grünparteien, der Freien Europäischen Allianz (EFA), Piratenparteien aus zwei Ländern, Abgeordneten der 5 Sterne Bewegung, etc.. Diese Fraktion ist zur Zeit die viert stärkste Fraktion. Vana erwähnt zu den Fraktionen, dass keine davon homogen ist. Die Fraktion der Grünen/EFA gleicht sich gemeinsam aber im Vergleich zu anderen Fraktionen in hohem Maß an.

Vana und Lunacek betonten, dass die Arbeit im EU-Parlament für sie sehr spannend war. Die einzelnen Abgeordneten haben dabei große politische Handlungsmacht. Vana gibt dabei das Beispiel an, dass Abgeordnete auch alleine für beispielsweise ein Dossier (siehe unten) verantwortlich sein können und daher frei in der Verhandlung sind.

Europawahl

Lunacek stellte die bisherigen Europawahlen seit 1979 vor und wies darauf hin, dass es bis jetzt immer eine Mehrheit von Mitte-Liberal-Links gab. Für die EVP und die Fraktionen rechts von ihr (Mitte-Rechts) gab es noch nie eine Mehrheit. Die Parteien rechts von der EVP sind: die EKR (Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer), die EFDD (Europa der Freiheit und der direkten Demokratie, bis 2019) und die ID (Identität und Demokratie).

Auf der Seite von Europe Elects kann man die Ergebnisse der Europawahl 2019 und auch eine Vorhersage der Ergebnisse für die Europawahl 2024 vom März diesen Jahres (jetzt schon April 2024) finden. Lunacek verwies dabei auf die Mehrheit von „Group of the European People’s Party“ (Christian Democrats, EPP oder EVP, hellblau), „European Conservatives and Reformists Group“ (ECR oder EKR, dunkelblau), „Identity and Democracy Group“ (ID, schwarz), „Unaffiliated parties“(hellgrau) und „Non-Inscrits“ (NI, dunkelgrau) für 2024. Lunacek sieht diese Mehrheit als Gefahr. Die Europawahl 2024 ist laut Lunacek deshalb also so wichtig, weil eine rechtskonservative bis extrem-rechte Mehrheit ihrer Meinung nach verhindert werden soll. Vana erwähnte zunehmende Spannungen im Europaparlament aufgrund der bevorstehenden Wahl. Die Entstehung von rechten Mehrheiten ist für sie deutlich merkbar.

Themen

Im Rahmen der Veranstaltung wurde auf mehrere verschiedene Themen eingegangen. Hier kommen ein paar Beispiele.

Renaturierungsgesetz

Im Renaturierungsgesetz geht es um die Wiederherstellung von geschädigten Lebensräumen in den EU-Staaten. Vana gibt das Renaturierungsgesetz als gutes Beispiel für die Funktion und den langen Prozess der Gesetzgebung an. Im Juni 2022 wurde das Renaturierungsgesetz als Teil des „Green Deal“ von der Kommission eingebracht. Ein Jahr später verfasste das Europaparlament einen gemeinsamen Standpunkt. Diese Zeitspanne ist normal in der Gesetzgebung, so Vana. Nach den Standpunkten kommt es zu den Trilogen (siehe unten), wo die Standpunkte verhandelt werden. Am 12. Juli 2023 gab es eine Stellungnahme des Europaparlaments. Das Gesetz konnte im Europäischen Parlament nur mit einer knappen Mehrheit beschlossen werden, weil die Volkspartei und andere rechte Parteien Widerstand geleistet haben, so Vana. Die Zustimmung des Rates steht immer noch aus. Lunacek erklärte die Vorgehensweise nach der Verabschiedung des Gesetzes. Da es sich bei dem Renaturierungsgesetz um eine Richtlinie (siehe unten) handelt, muss die Renaturierung nicht in jedem EU-Mitgliedsstaat identisch umgesetzt werden. Die Richtlinie gibt lediglich den Rahmen vor, schlussendlich müssen die Ziele erreicht werden. In diesem Fall gibt es für die EU-Mitgliedsstaaten eine zweijährige Übergangsfrist. Vana ergänzte, dass es sich um einen langen Weg der Umsetzung handelt.

Initiativrecht

Das Initiativrecht besagt, dass die Kommission Gesetzesvorschläge einbringen kann. Das Europaparlament hat dieses Recht nicht. Für Vana fehlt dieses Recht im Europaparlament schmerzlich. In der Veranstaltung wurde erwähnt, dass auch parteiübergreifend für das Initiativrecht des Europaparlaments gekämpft wird. Dafür wäre aber eine Vertragsänderung notwendig, was die Einstimmigkeit im Europäischen Rat verlangt.

Erfolge der Grünen

Der Sacharow-Preis ist ein Preis des Europäischen Parlaments für Menschenrechtsverteidiger:innen. 2015 wurde dieser Preis an Raif Badawi, einen saudischen Blogger, verliehen. 2012 wurde er wegen seiner liberalen Ansichten zu Religion und Frauenrechten verhaftet und 2014 zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe und 1.000 Peitschenhieben verurteilt. Die Initiative für die Preisverleihung an ihn kam dabei von den Grünen. Diese Verleihung ist bislang die einzige, in der eine Initiative der Grünen erfolgreich war.

Als weiteren Erfolg nannte Vana die „Dachverordnung der Regionalförderungen“. Diese Verordnung wird alle sieben Jahre neu verhandelt und bestimmt, wie die EU-Förderungen in dieser Zeitspanne vergeben werden. Für die Periode von 2021 bis 2027 war Vana als Verhandlerin dabei und konnte Bedingungen für die Vergabe der Förderungen einführen. Die EU-Förderungen sind in dieser siebenjährigen Periode nämlich an Menschenrechte, Gleichstellung und Antidiskriminierung gebunden. Vana betonte den symbolischen Erfolg dieser Einführung.

Lunacek erwähnte auch den Erfolg der „Road Map gegen Homophobie“. 2014 wurde dafür eine Mehrheit im Europäischen Parlament erreicht. Dabei wurde eine Strategie der Kommission gegen die Diskriminierung von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität verlangt. 2020 wurde die Strategie von der Kommission verabschiedet und die EU-Mitgliedsstaaten müssen diese umsetzen. Die „Road Map“ soll eine offenere Gesellschaft für die LGBT-Community bieten.

Prognose

Die Frage nach einer Einschätzung der europaweiten Ergebnisse der Grünen bei der Europawahl 2024 erschien für die Partei ernüchternd. Mit aktuell 72 Abgeordneten rechnet man nach der Europawahl 2024 mit circa 50 Abgeordneten.

INFO:

Dossier = Auf der Seite des Europäischen Parlaments werden Dossiers als Zusammenführung von Informationen über Gesetzesvorschläge definiert. Diese Dossiers sind für die Bevölkerung einsehbar.

Trilog = Auf der Seite des Europäischen Rates werden Triloge als Treffen zwischen dem Rat, dem Parlament und der Kommission beschrieben. Diese Triloge werden im Prozess des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens gehalten.

Unterschied EU-Richtlinie und EU-Verordnung = Auf der Seite des Österreichischen Parlaments werden EU-Verordnungen als unmittelbar und mit gleicher Umsetzung in allen EU-Mitgliedsstaaten beschrieben. EU-Richtlinien werden im Gegensatz dazu von den Nationen selbst umgesetzt und die Ausführung dieser Richtlinien kann in jedem Mitgliedsstaat selbst entschieden werden. Wie oben schon erwähnt, muss bei den Richtlinien nur das verlangte Ziel erreicht werden.

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