Langer Atem gebraucht – die Wahlparty der SPÖ

Nach einem turbulenten Wahlkampf gipfelt das Rennen um die Mandate im EU-Parlament für die SPÖ im Wiener Marx Palast. Bei Schnitzelsemmerl und Sekt müssen sich Gäste und Funktionär_innen bis zur Verkündung des Ergebnisses gedulden – welches lange auf sich warten lässt.

16:30 – große Leere und der Geruch von Gulasch

füllen den Raum. Bisher sind hauptsächlich Medien und Personal vor Ort. Wahlbeisitzer_innen sind noch im Einsatz. Die paar Gäste, die schon anwesend sind, werden im Blickfeld des ORF platziert, sobald die erste Live Schaltung einsetzt.

17:00 – die erste Trendprognose

wird unter Applaus vernommen. Überschwänglicher Jubel bleibt jedoch bei den erreichten 23 % aus. Immerhin können die 5 Mandate im EU-Parlament gehalten werden. Live aus dem ORF Studio bewertet Politikwissenschaftler Peter Filzmaier, das noch ausstehende Rennen um den zweiten Platz gegen die ÖVP als symbolisch wirkmächtig. Im Interview mit dem ORF weist Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Klaus Seltenheim einmal mehr darauf hin, dass es sich hier um eine Trendprognose handle. Eine Schwankungsbreite von 2,5 % lässt noch auf einen zweiten Platz hoffen. Sollte es tatsächlich zu einem dritten Platz für die SPÖ kommen, wäre das sicherlich kein Grund zur Freude, Seltenheim zeigt sich aber dahingehend optimistisch, dass sich die Partei vom Umfragetief des vergangenen Jahres erholt habe. In den sechs Stunden, die eine tatsächliche erste Hochrechnung nun auf sich warten lässt, wird von verschiedenen Veranstaltungsgästen die Belastbarkeit der Trendprognose hinterfragt. An den Stehtischen werden bei Sekt, Bier und Spritzwein Diskussionen darüber geführt, inwiefern diese Statistiken nun auch tatsächlich zutreffend sein. Doch die Richtung wird schon stimmen und der Blick geht hin zur Nationalratswahl im Herbst. Die heutige Wahl sei ein „Probegalopp“ für den Herbst gewesen, was sehr zu denken gibt. Freuen kann sich hier niemand über das Ergebnis – manche fangen aus Frust wieder mit dem Rauchen an. Der Marx Palast füllt sich immer mehr, denn auch die zahlreichen Wahlbeisitzer_innen, die zum Teil seit 5 Uhr Früh auf den Beinen sind, haben nun fertig ausgezählt.

19:30 – Spitzenkandidatin Evelyn Regner wird unter Jubel empfangen

Die Stimmung hebt sich langsam. Regner bedankt sich bei allen, die die letzten Monate gerannt sind, bei der Bundesgeschäftsführung, bei Gewerkschafter_innen und bei ihrer allerliebsten Erstwählerin heute – ihrer Tochter. Sie zeigt sich zuversichtlich, dass die noch bestehende Schwankungsbreite Zuwachs für die SPÖ beinhalte „weil wir es verdient haben“. Die Sozialdemokratie sei die Partei, die durchhält und immer langen Atem beweist. Diesen langen Atem gilt es bis zur Nationalratswahl im Herbst beizubehalten – und bis zur ersten Hochrechnung um 23:00 Uhr.

20:30 – die beiden Andis treffen ein.

Parteichef Babler erachtet die noch ausstehende Schwankungsbreite als gar nicht so wichtig. Ob sich das Ergebnis noch leicht nach oben oder leicht nach unten verändere, sei von wenig Bedeutung, denn er habe das Herzblut gespürt! Andi Schieder beschwert sich nach einer kurzen Dankesrede über so manche „Blödheiten“ der EU-Wahl. Beispielsweise, dass wir in Österreich bis 23:00 Uhr auf ein Ergebnis warten müssen, weil erst um diese Uhrzeit die letzten Wahllokale in Italien schließen. Er prangert zudem an, dass sich die Medien nur in einem 5-Jahres Abstand für Europa interessieren und wünscht sich mehr mediale Aufmerksamkeit für die EU auch während der Legislaturperiode. Schieder sieht die Situation in Österreich und ganz Europa mit Blick auf den Rechtsruck sehr ernst. Er war schon bei der Volksabstimmung 1994 für die EU engagiert und brennt noch immer dafür, denn „nur die Europäische Union kann Regeln schaffen, die für alle etwas Gutes bedeuten“. Nun sind es noch knapp zwei Stunden bis zur Hochrechnung. Der Saal leert sich nach der guten Stimmung, die die Spitzenkandidat_innen und der Parteichef mitgebracht haben langsam wieder. Wer raucht, oder heute wieder damit anfängt, steht im Nieselregen vor dem Marx Palast, die restlichen vertreiben sich bei Schnitzelsemmerl und Sekt den Abend. In Feierlaune ist niemand, aber die Atmosphäre schon aufgelockert – fünf Stunden Trübsal blasen wäre auch sehr anstrengend.

23:00 – endlich die erste Hochrechnung

Wieder einmal versammeln sich alle, die bis jetzt durchgehalten haben, in der Halle. In der ORF-Übertragung kommt eine kurze Werbepause bevor die Statistiken eingeblendet werden: „Wenigstens ist der Apfel rot!“ ruft eine Person aus der Menge und erntet selbstironisches, resigniertes Lachen. Hörbares Staunen zieht durch den Raum, als die FPÖ unerwarteterweise doch bedeutende 1,5 % seit der Trendprognose verloren hat. Die Freiheitlichen liegen noch immer auf Platz eins und die SPÖ nun fix auf Platz drei, aber dieses Ergebnis lässt noch Hoffnung für Herbst zu, so der rote Parteichef. Babler räumt ein „natürlich kann man sich bei einem dritten Platz nicht auf die Bühne stellen und jubeln“, die FPÖ sei mit ca. 25 % jedoch in Schlagdistanz. Die 2,2 % Abstand gilt es nun aufzuholen und die Themenlage zur Nationalratswahl biete der Sozialdemokratie Rückenwind. Die SPÖ werde den Abstand zur FPÖ aufholen und erster werden.

Der EU-Wahlkampf ist mit dem Ende der Party über die Bühne gebracht. Kein gutes Ergebnis für die Sozialdemokratie, aber eines, das zur Hoffnung zwingt.

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