Hinter den Kulissen des ORF: Wie die Elefantenrunde abseits der Kameras ablief

ORF-Elefantenrunde zur Europawahl, am 5. Juni 2024. V.l.n.r. Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Tobias Pötzelsberger (Moderator), Raffaela Schaidreiter (Moderatorin), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS).
ORF-Elefantenrunde zur Europawahl, am 5. Juni 2024. V.l.n.r. Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Tobias Pötzelsberger (Moderator), Raffaela Schaidreiter (Moderatorin), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS).

Am Mittwoch, den 5. Juni, fand im ORF-Zentrum die abschließende Elefantenrunde der Europawahl 2024 statt. Ein letztes Mal diskutierten Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Lena Schilling (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS) gemeinsam über ihre jeweiligen Standpunkte. Doch wie lief die Diskussionsrunde abseits der Fernsehbildschirme ab? Zeit für einen Blick hinter die Kulissen.

Ein lauer Sommerabend am Küniglberg, Anspannung liegt in der Luft und zahlreiche Streifenwagen parken in den ruhigen Gassen rund um das ORF-Zentrum. In gut einer Stunde heißt es: Kamera läuft für die abschließende Elefantenrunde der EU-Wahl 2024. Noch ist es still im ORF-Zentrum: Die zuständigen Mitarbeiter:innen sitzen auf der Terrasse plaudernd beisammen, die Fotografen bereiten ihre Kameras für den großen Augenblick vor und der zuständige Pressesprecher des ORF dreht geschäftig seine Runden. Das gemütliche Verweilen auf der Terrasse nimmt ein plötzliches Ende als es heißt: „Die SPÖ kommt.“ Und tatsächlich: Um 19:34 Uhr, etwa 40 Minuten vor Sendungsbeginn, fährt ein roter VW-Bus mit der Aufschrift „Schieder Mobil“ vor, aus dem zunächst das große Wahlkampf-Team und schließlich auch der SPÖ-Spitzenkandidat selbst steigt. Wenige Minuten später hält auch das „NEOS Mobil“ –in blau mit gelben Sternen, sichtlich an der EU-Flagge orientiert – vor dem Haupteingang am Küniglberg. Neben Helmut Brandstätter und seinem Wahlkampf-Team, findet auch ein frisches Hemd, mit Krawatte auf einem Haken, den Weg in das ORF-Zentrum. Nun geht es Schlag auf Schlag: Während Lena Schilling (Grüne) und ihr Team mit den Öffis anreisen, steigt Harald Vilimsky (FPÖ) aus einem unscheinbaren weißen Taxi.

Countdown läuft

Während die Spitzenkandidat:innen nach ihrem Eintreffen umgehend in die Maske geleitet werden, nehmen ihre Teams im sogenannten Hugo-Portisch-Atrium Platz. Da diesmal im Studio keine Zuschauer:innen vorgesehen sind, verfolgen die anwesenden Journalist:innen, Fotograf:innen und Wahlkampf-Teams der Kandidat:innen die Diskussionsrunde einen Stock tiefer im Atrium auf einer großen Leinwand. Etwa eine halbe Stunde vor Sendungsbeginn begibt sich das SPÖ-Team als erste Partei in das Atrium. Sie sprechen dabei über das Wahlziel der SPÖ bei der Europawahl: Fünf Mandate sollten es auf jeden Fall wieder werden, freuen würde man sich über ein sechstes. Anspannung und Nervosität liegen in der Luft: „Mein Stress wird am Montag nicht weniger werden“, betont der Wahlkampf-Leiter der SPÖ, „das wird jetzt bis 30. September so weiter gehen.“ Hinter vorgehaltener Hand heißt es, die EU-Wahl wäre ohnehin vor allem die Vorphase für die kommende Nationalratswahl, die man auch im jetzigen Wahlkampf schon stark im Blick habe.

Die letzten Minuten vor Sendebeginn

20 Uhr, 15 Minuten vor Sendungsbeginn. Allmählich füllt sich das Hugo-Portisch-Atrium mit den Teams der Spitzenkandidat:innen, während einen Stock höher im Fernsehstudio die Vorbereitungen für die Sendung auf Hochtouren laufen. Der Pressesprecher des ORF kündigt an, dass die Fotografen für einige Minuten Zutritt zum Studio haben, um den „klassischen Shot“, wie er es bezeichnet, zu bekommen, obwohl sie während der Sendung nicht live im Studio sein können. Etwa fünf Fotografen, bestückt mit jeweils mehreren Kameras und Objektiven, machen sich mit dem Pressesprecher auf den Weg zum Studio. Sie sind nervös, haben Angst, dass die kurze Zeit im Studio nicht für „das eine perfekte Bild“ ausreichen würde. Der Pressesprecher versucht zu besänftigen und scherzt: „Das ist das erste Bild von allen Spitzenkandidat:innen zusammen, oder? Außer denen von Puls 4 und oe24.“ Die Gruppe nähert sich der Schleuse vor dem Studio, als sie plötzlich innehalten und in Sekundenschnelle ihre Kameras zücken: Direkt vor ihnen betreten die Spitzenkandidat:innen gerade das Studio, das muss selbstverständlich fotografisch festgehalten werden.

Im Studio: Gruppenfotos & letzte Anweisungen

Um 20:05 Uhr dürfen die Fotografen endlich das Studio betreten. Sie sind nicht die einzigen, im vergleichsweise kleinen Studio wimmelt es vor Kamera- und Technikleuten, Begleiter:innen der Spitzenkandidat:innen und Stylist:innen, die eifrig Locken richten, nachpudern und Fusseln von den Anzügen entfernen. Der ORF-Pressesprecher tritt in die Mitte und gibt Anweisungen für das Gruppenfoto. Die Kandidat:innen stellen sich zunächst vor den Rednerpulten zusammen und werden dabei nicht nur von den Profi-Fotografen, sondern auch von ihren jeweiligen Social Media Manager:innen abgelichtet, die ausreichend Material für spätere Instagram-Stories vorproduzieren möchten. Wenige Minuten später betreten auch die Moderator:innen, Tobias Pötzelsberger und Raffaela Schaidreiter, das Studio. Sie begrüßen alle Kandidat:innen, posieren ebenfalls für ein Gruppenfoto und geben letzte Informationen für die Sendung. „Wir werden die Redezeit im Auge behalten und uns ist wirklich wichtig, dass jede:r Kandidat:in gleich lange zu Wort kommt“, betont Pötzelsberger. Helmut Brandstätter murmelt zustimmend: „Find ich gut, find ich gut.“ Schließlich ist es auch er, der im weiteren Sendungsverlauf seinen Unmut äußert, dass es „meistens“ so sei, dass er bei der Redezeit hinten liege. Anschließend gibt es nochmal ein Gruppenfoto, diesmal mit allen Kandidat:innen hinter ihren Pulten. Während Lopatka, Schieder, Vilimsky und Schilling ihren Blick gezielt in die Kamera richten, kann Brandstätter seine Augen nicht von seinem Handy lassen. Bitten seitens der Fotografen und des ORF-Pressesprechers, auch noch ein Bild ohne Smartphone in der Hand zu bekommen, bleiben unerhört, bis sein eigener Pressesprecher eingreift und Brandstätter das Handy aus der Hand nimmt.

Schilling: „Beauty-Tipps wären gute Einstiegsfrage“

Nachdem die Foto-Session offiziell beendet ist, beginnt es im Studio wieder zu wuseln. Stylist:innen, die ein letztes Mal nachpudern, widerspenstige Strähnen mit Haarspray bändigen und die Hemdkrägen glattziehen. Pressesprecher:innen, die ihren Schützlingen letzte Instruktionen geben, heftig gestikulierend, aber gleichzeitig so leise flüsternd, dass man auch einen halben Meter daneben nur noch rätseln kann, wozu die Kandidat:innen „ja, ja, ja“ sagen.

Vier Minuten vor Sendungsbeginn. Mittlerweile haben alle Politiker:innen hinter ihren Pulten Platz genommen. Während die Fotografen ihre Chance auf Einzelporträts der Kandidat:innen wittern, kommen Schilling und Brandstätter ins Gespräch. „Bitte das Foto nochmal, Augenbrauen hochziehen, hat mein Vater immer gesagt“, scherzt der Spitzenkandidat der NEOS. „Wirklich? Ich schau‘ dann einfach nur wie ein erstauntes Reh aus“, entgegnet Schilling ungläubig. Die beiden debattieren über den richtigen Gesichtsausdruck für ein überzeugendes Foto und Schilling lacht: „Beauty-Tipps von Spitzenkandidat:innen, das wäre doch mal eine gute Einstiegsfrage für eine Diskussionsrunde.“ Nicht scherzend, sondern eher ruhig und angespannt wirken Lopatka und Vilimsky, die konzentriert durch ihre Unterlagen blättern. Schieder hingegen ist von seinen Begleiter:innen umgeben und holt sich Zuspruch für die Diskussionsrunde.

Presse-Teams und Begleiter:innen verfolgen Elefantenrunde im Atrium

Um 20:12 Uhr heißt es schließlich: Alle, die nicht in den Sendungsverlauf involviert sind, müssen das Studio verlassen. Fotografen, Pressesprecher:innen und Social-Media-Beauftragte machen sich auf den Weg zurück ins Hugo-Portisch-Atrium, von wo aus sie die Diskussion verfolgen. Das Atrium ist dabei nur mäßig gefüllt, viele Plätze bleiben frei. Vor allem der Medien-und Journalist:innen-Andrang hält sich in Grenzen. Die Stimmung im Atrium ist relativ entspannt, es fließt insgesamt mehr Alkohol als Wasser und die anwesenden Gäste bedienen sich reichlich am Buffet. Werden die Themen brenzliger oder „ihre“ Kandidat:innen in die Bredouille genommen, so wird das feucht-fröhliche Abendessen kurz unterbrochen und die Pressesprecher:innen richten ihren Blick angespannt auf die Leinwand. Während die Teams der ÖVP und FPÖ meist ein Pokerface zum Besten geben, sieht man bei den Mitarbeiter:innen der SPÖ sowie der NEOS klarer, wie sie die Performance ihrer Kandidat:innen gerade einschätzen. Besonders eine Presssprecherin der SPÖ nickt ununterbrochen mit, wann immer Schieder das Wort ergreift. Als dieser im späteren Sendungsverlauf seine Idee für ein Erasmus-Programm für Senior:innen unterbreitet, wirkt das SPÖ-Team so nervös, als ob sie sich nicht sicher wären: Sagt er es oder sagt er es nicht? Sobald die Worte „Erasmus-Programm für Senior:innen“ über Schieders Lippen gleiten, bricht das Presseteam der SPÖ in ein schallendes Gelächter aus und kann sich nur schwer wieder beruhigen.

Social Media im Fokus

Omnipräsent im Atrium sind dabei Smartphones. Kaum jemand im Raum tippt während der Diskussionsrunde nicht eifrig auf seinem Handy herum. Instagram-Stories, Beiträge, Tweets und Ähnliches finden im Minuten Takt ihren Weg in die Sozialen Netzwerke. Dabei sind die Pressesprecher:innen stets bedacht, besonders markante Aussagen der Spitzenkandidat:innen auf Social Media zu posten, um auch dort einen Überblick über den Verlauf der Elefantenrunde zu geben. Das NEOS-Team nutzt diese Gelegenheit auch, um Brandstätters „Handy-Gate“ in ein amüsantes Licht zu rücken und erstellt nach kurzer Überlegung eine Instagram-Story – mit einem Bild Brandstätters mit Handy in der Hand – mit der Überschrift: „Was meine Social Media Manager:innen können, kann ich schon lange!“, inklusive Smiley mit Lachtränen. Sichtbare Emotionen gegenüber den Kandidat:innen anderer Parteien kann man im Atrium jedoch kaum erkennen, hier üben sich beinahe alle in Zurückhaltung. Eine Ausnahme bietet die Frage Pötzelsbergers an Vilimsky, ob dieser ebenfalls einen „Partei-Zettel“ dabei hätte, nachdem Brandstätter seine „Europa-Zeitung“ präsentiert hatte. Dies sorgt in fast allen Partei-Teams für einen Lacher. 

Ein langer Abend geht zu Ende

Nach der zweistündigen Diskussion über große Themen der anstehenden EU-Wahl, wie Renaturierung, Klimaschutz und Migration, bringen die Moderator:innen die Elefantenrunde mit einer abschließenden Fußball-Frage zu einem pünktlichen Ende. Die ersten Pressesprecher:innen verlassen bereits kurz vor Sendungsschluss das Atrium, um die Politiker:innen vor dem Studio empfangen zu können. Schnell leert sich das – ohnehin nicht sehr volle – Atrium. Was nach der Elefantenrunde innerhalb der jeweiligen Partei-Teams und im Studio vor sich ging, bleibt ein Geheimnis. Denn für alle anderen heißt es: Der Abend und somit auch die letzte Diskussionsrunde des Wahlkampfes sind zu Ende. Rasch den Heimweg antreten, wollte offenbar auch Reinhold Lopatka (ÖVP), dessen Wagen bereits wenige Minuten nach Sendeschluss mit geöffneten Türen und abfahrbereit vor dem Haupteingang des ORF-Zentrums wartete.

Hier gibt es die Elefantenrunde zum Nachschauen: https://on.orf.at/video/14229284/eu-wahl-24-diskussion-der-spitzenkandidaten-und-kandidatin

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