Michaela Kauer ist Politikerin mit besonderer Leidenschaft für die EU, den Wahlkampf und Frauenrechte. Bei der Europawahl kandidiert sie auf Listenplatz zwölf für die SPÖ. Im Gespräch verrät sie, wie sich der Alltag als EU-Politikerin zwischen Wien und Brüssel gestaltet, mit welchen Themen die SPÖ bei der Europawahl überzeugen möchte und warum sie froh ist, dass die SPÖ keine „Einheitspartei“ ist.
Politik zu den Menschen bringen, in Austausch treten und Gespräche mit Bürger:innen führen, so lautet das politische Credo von Michaela Kauer. So besuchte sie am Dienstag, den 30.04.2024 eine Gruppe von Publizistik-Student:innen und stellte sich deren Fragen zur EU-Wahl, Sozialdemokratie und zum Wahlkampf.
Kauers Herz schlägt schon lange europäisch: Mit 22 Jahren absolvierte sie ein Praktikum bei der Europäischen Kommission und war dabei eine der ersten Praktikant:innen aus Österreich. Mittlerweile lebt sie vorwiegend in Brüssel und leitet dort das Verbindungsbüro der Stadt Wien zur EU, das sogenannte „Wien-Haus“. Dieses repräsentiert die Interessen Wiens auf EU-Ebene und macht sich unter anderem für die Themen Wohnen und Stadtpolitik stark. „Ich verstehe mich selbst als feministische, linke Frau“, reflektiert Kauer, der die Themen Städte- und Frauenpolitik besonders am Herzen liegen.
Kauer: „Ich tue wahnsinnig gerne wahlkämpfen“
Für die SPÖ kandidiert sie bei der anstehenden Europawahl auf Listenplatz zwölf. Bei der vergangenen EU-Wahl 2019 hatte sie Hoffnung auf einen vorderen Listenplatz, mit faktischer Chance auch tatsächlich in das Europäische Parlament einziehen zu können. Doch mit der Zeit realisiere man die Realität und festgelegten Strukturen, gibt Kauer zu: „Ich bin Parteisoldatin, irgendwann kann man runterdeklinieren, wie die Listen erstellt werden. Aber ich bin in Brüssel und arbeite sowieso an den Themen, die mir wichtig sind. Auf der Liste bin ich, weil ich gerne wahlkämpfe.“ Überzeugt sei sie außerdem von unkonventionellen Wahlkampf-Aktionen abseits von Flyern und Straßenfesten. Gerne mache sie EU-Spaziergänge durch den zweiten Wiener Gemeindebezirk, ihren Heimatbezirk, und zeige den Menschen, wo in ihrem Bezirk EU-Förderungen eingesetzt wurden. „Die meisten wissen gar nicht, wo in Wien überall Europa drinnen ist“, so Kauer.
Neben den EU-Spaziergängen betreibt Kauer gerne Straßenwahlkampf und organisiert Märkte, Europa-Quizze oder ein EU-Speed-Dating, bei welchem Bürger:innen den Kandidat:innen und Expert:innen in ungezwungener Atmosphäre Fragen stellen können. Dass auch Frauen im Wahlkampf angesprochen werden, ist für Kauer eine Herzensangelegenheit: „Die meisten Männer im Wahlkampf reden auf der Straße nur mit Männern. Ich sage immer, ihr müsst auch auf die Frauen zugehen.“ Ebenfalls wichtig ist es ihr, die Jugend anzusprechen, doch sie betont, dass sie den jüngeren Kandidat:innen hier gerne den Vortritt lasse. Politische Bildung sei aber gerade für junge Menschen ein wichtiger Grundstein für ihre Zukunft: „Wir haben flämische Schulen in das Wien-Haus in Brüssel eingeladen und mit ihnen besprochen, was Menschenrechte und Demokratien sind. So etwas finde ich sehr sinnvoll.“
SPÖ: „Europa für alle“
Im Wahlprogramm für die Europawahl plädiert die SPÖ für ein „faires und soziales Europa für alle.“ Kauer betont hierbei, dass es der SPÖ ein Anliegen sei, auf EU-Ebene der sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken und mehr Menschen am Wohlstand teilhaben zu lassen. So könne man auch Krisen besser bestreiten. „2023 haben die Banken 10 Milliarden Euro Umsatz gemacht, wir als Bankkund:innen bekommen aber keine Erleichterungen oder höheren Zinsen“, kritisiert Kauer. Ein Europa für alle beinhalte darüber hinaus Fortschritte in puncto Demokratie: „Von der Leyens Rechtsstaatlichkeit-Mechanismus ist zwar gut, aber das reicht nicht.“ Dieser müsse erweitert werden und das einerseits auf inhaltlicher Ebene, aber auch in Bezug auf die Wirksamkeit: „Im Moment sind es Empfehlungen, was etwa Orban damit macht, sieht man…“
Im Wahlkampf setze die SPÖ außerdem auf „Klassiker“ der Sozialdemokratie: Die EU solle den Fokus auf eine bessere Arbeitswelt, Produktionsbedingungen, Umweltstandards, gewerkschaftliche Rechte und auf eine Verbesserung der Bildungs- und Friedenspolitik legen. „Ein starkes Europa bedeutet auch eine starke Friedenspolitik“, unterstreicht Kauer.
Stimme für die Vielfalt der SPÖ
Dass die SPÖ in den letzten Jahren wegen interner Unstimmigkeiten in die Schlagzeilen gekommen ist, betrachtet Kauer aus einer anderen Perspektive. Sie stoße sich an der Kritik, dass die SPÖ nicht ‚einheitlich‘ sei: „Zum Glück ist die SPÖ nicht einheitlich, ich will keine monolithische Partei.“ Streit in einer Partei gehöre dazu, genauso wie in einer Familie, „manchmal braucht es das“, merkt sie an und betont, dass interne Diskurse für das Wachsen einer Partei eine bedeutende Rolle spielen. Fair solle es trotzdem bleiben: „Die SPÖ hatte schon immer ein Thema mit Leuten aus Tirol und dem Burgenland. Das war auch Rendi-Wagner gegenüber nicht in Ordnung.“ Mittlerweile sollen sich die Wogen aber wieder geglättet haben: „Vor kurzem war der SPÖ-Parteitag in Wieselburg, da haben alle an einem Strang gezogen.“
Engagement zwischen Wien und Brüssel
Michaela Kauer fungiert als Leiterin des Verbindungsbüros der Stadt Wien zur EU in Brüssel. Das sogenannte „Wien-Haus“ ist dabei eines von insgesamt etwa 300 Regional- und Städtebüros in Brüssel, welche die Interessen von Regionen und Länder auf EU-Ebene vertreten. Das Wien-Haus engagiert sich etwa für Themen wie Mobilität, Transport, Klima oder auch Gleichstellung und arbeitet dabei oft mit Verbindungsbüros anderer Städte zusammen. „Wir bilden stabile Allianzen für Städte“, unterstreicht Kauer.
Zu den Aufgaben des Wien-Hauses in Brüssel zählt unter anderem Interessenmanagement und Lobbying. Kauer erzählt, wie sie – in Zusammenarbeit mit anderen Städtebüros – kürzlich Erfolge beim Vorgehen gegen touristische Kurzzeitvermietungen, wie etwa Airbnb, verzeichnen konnte. „Solche Plattformen greifen den Wohnungsmarkt in ganz Europa an. Es gibt kein Regelwerk, dass Airbnb dazu zwingt, den Städten die Daten der User:innen zu geben. Die Städte haben also keinerlei Möglichkeit der Kontrolle“, berichtet Kauer. Die Städtebüros initiierten daher gemeinsam einen Lobbying-Prozess und gaben Studien zur Auswirkung von Plattformen wie Airbnb auf den Wohnungsmarkt in Auftrag. Außerdem formulierten sie Positionspapiere, die sie den Entscheidungsträger:innen zur Verfügung stellten. Sie betont dabei, dass das Wien-Haus Lobbyingaktivitäten stets transparent und entsprechend der Vorgaben aus Wien durchführe. Manchmal könne man so Erfolge erzielen, manchmal ist es aber auch so, „dass man sich nicht durchsetzt und viel Arbeit hatte“, fasst sie zusammen. Im Fall Airbnb hat sich das Engagement jedoch gelohnt. „Die Städte konnten durch unser Handeln ein bisschen gewinnen“, resümiert Kauer.