Am 7. Mai fand im Haus der EU eine Paneldiskussion unter dem Motto :„Europe Day 2024: The success story of enlargement – connecting past and future“ statt. Die Diskussion stand ganz unter dem Zeichen des 20-jährigen Jubiläums der Osterweiterung der EU im Jahr 2004, als gleich zehn Staaten in die Europäische Union aufgenommen wurden. Eine gute Gelegenheit also, Bilanz zu ziehen und aufzuzeigen, wie man von der EU profitiert hat. Da können die Staaten Montenegro und Moldawien noch nicht mitreden. Sie sind aber Beitrittskandidaten der EU und auf gutem Weg dorthin. Wie die Verhandlungen mit Brüssel laufen und vor welchen Aufgaben sie stehen, darüber wurde in ausgewählter Runde diskutiert.
Ein Bekenntnis für Europa
Wolfgang Bogensberger, amtsführender Leiter der Europäischen Kommission in Österreich, eröffnete die hochkarätig besetzte Veranstaltung. Neben der herzlichen Begrüßung der Gäste lenkte er die Aufmerksamkeit sogleich auf eine kürzlich stattgefundene Attacke auf Ministerin Karoline Edtstadler, als sie eine Konferenz gegen Antisemitismus in Wien besuchte. Da sie als Gast anwesend war, war man gespannt was sie selbst dazu zu sagen hatte. Weiters fuhr er mit der Frage fort, welche Werte die 2004 hinzugekommenen Mitgliedsstaaten mit der EU verbinden würden. Diese wurde mit einem kurzen Video beantwortet, in dem Repräsentant:innen aller 10 Staaten zu Wort kamen. Auch wenn Europa für jeden etwas anderes bedeutet, so fiel ein Wort doch besonders oft: Freiheit. Und mit diesem Stichwort übergab Bogensberger das Wort an Edtstadler. Davor erwähnte er noch das „europäische Buffet“, welches es im Anschluss geben würde, mit dem Verweis auf das ausgesprochen gute tschechische Bier.
Rede von Edtstadler
Nun war der Moment gekommen, in dem Ministerin Edtstadler zum ersten Mal nach ihrer Attacke Stellung nahm. In ihren Augen sei der Anschlag gegen sie auch eine Ansage gegen europäische Grundwerte gewesen. Dabei betonte sie zwei ganz besonders. Zum einen sei die EU ein Garant für Sicherheit, besonders wenn man sieht was gerade in der Ukraine oder im Nahost-Konflikt passiert. Zum anderen sichere die EU aber auch den Wohlstand aller Mitgliedsstaaten. Dieser werde durch die gemeinsame Währung des Euros, der in fast allen Ländern mittlerweile realisiert wurde, gefestigt. Zum Abschluss zitierte Edtstadler noch den ehemaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel mit den Worten: „If the european union didn’t exist already, we would have to create it right now“. Edtstadler beendete mit einem Hinweis auf den zypriotischen Wein ihre Rede. Dabei merkte sie noch an, dass Österreich auch guten Wein produziere. Die Gäste quittierten ihren Nachsatz mit einem lauten Schmunzeln.
200 Jahre Europahymne
Vor der eigentlichen Diskussion wurde die Europahymne von einem eigens organisierten Musikarrangement aus Zypern gespielt. Denn der 7. Mai war auch der Tag des 200-jährigen Jubiläums der 9. Sinfonie von Beethoven, welche die Grundlage für die Europahymne ist. Der Saal erhob sich. Die Ministerin und geladenen Gäste lauschten bedächtig der Musik der jungen Musiker:innen und zollten mit viel Applaus Respekt.
Europäische Herausforderung: Erfahrungen und Perspektiven
Nun begann die eigentliche Diskussion, die einen Einblick in die Erfahrungen, Herausforderungen und Perspektiven verschiedener Länder im Kontext ihres EU-Beitritts geben sollte. Vertreter aus Slowenien, Tschechien, Moldawien, Montenegro und Österreich sprachen über diese komplexen Prozesse.
Erfahrungsberichte und Bilanz
Slowenien, das 1991 seine Unabhängigkeit erlangte, musste zuerst finanzielle Stabilität erreichen, um sich dem EU-Beitrittsprozess zu widmen. Die Verhandlungen verliefen weitestgehend reibungslos, wobei sicherlich auch hilfreich war, dass Slowenien einen Teil der Verhandlungen mit Brüssel in die parlamentarische Arbeit integrierte. Heute verhandelt Slowenien mit anderen Ländern darüber, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um andere Staaten in die EU aufzunehmen.
Wirtschaftliche Chancen und Vorteile
Katrin Steiner-Hämmerle, ausgewiesene Politikwissenschaftlerin, hob im Rahmen der Diskussion auch die Vorteile des letzten großen EU-Beitritts für Österreich hervor. Insgesamt würde man von einem größeren Wirtschaftsmarkt profitieren. Darüber hinaus konnten auch bis zu 100.000 Arbeitsplätze im direkten Zusammenhang mit der EU-Erweiterung und mehr Handelsmöglichkeiten geschaffen werden. Sie betonte auch, dass Österreich ein traditionell skeptisches Land sei, was die EU anbelangt. In einer Politbarometer-Umfrage antworteten nur rund 44% der Österreicher:innen, dass sie großes Vertrauen in die EU hätten. Laut Steiner-Hämmerle liege das zu großen Teilen auch an den heimischen politischen Eliten, die die Vorteile der EU falsch oder gar nicht kommunizieren würden. Gerne hätte sie dazu Edtstadlers Meinung gehört, die zu diesem Zeitpunkt der Diskussion allerdings nicht mehr anwesend war.
Moldawien und Montenegro: Beitrittskandidaten mit eigenen Herausforderungen
Nun widmete sich die Moderatorin den Vertretern der Beitrittskandidaten Moldawien und Montenegro. Beide Staaten stehen vor ihren ganz eigenen Herausforderungen um EU-Mitglied zu werden. Obwohl in Moldawien die EU als Friedensprojekt betrachtet werde, gäbe es immer wieder starke Propaganda aus Russland, die einen EU-Beitritt mit Krieg assoziiert. Dennoch gehe bereits jetzt ein Großteil der Exporte des Landes in den europäischen Markt. Außerdem wurde in Moldawien schon ein Büro für europäische Angelegenheiten eingerichtet. Auf der Agenda für Moldawien stehen nun umfangreiche Justizreformen, die Bekämpfung von Korruption und die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Die Corona-Pandemie aber auch die Balkankriege hätten auf allen Ebenen ihre Spuren hinterlassen und müssten vollständig aufgearbeitet werden.
Montenegro sei in den Verhandlungen mit Brüssel schon etwas weiter, allerdings ist das Land auch schon seit 2010 ein offizieller Beitrittskandidat. Auf die Nachfrage der Moderatorin, ob es schon einen konkreten Zeitpunkt für einen möglichen Beitritt gäbe, wurde recht zögerlich das Jahr 2028 genannt. Allerdings müssten die Verhandlungen dann genau so weiterlaufen wie bisher. Da am 9. Juni noch Europawahlen bevorstehen, müsse man diese erstmal abwarten. Es mache eben auch einen Unterschied mit wem man verhandelt.
Ausblick und Schlussbetrachtung
Die Diskussion endete mit einem Hymnenmedley, das die Vielfalt der repräsentierten Länder symbolisierte. Abschließend verabschiedete Wolfgang Bogensberger die Gäste und betonte, dass die Stärke der EU in ihrer Einheit liege und dass sie in Krisenzeiten besonders sichtbar werde. Die Zukunft der EU-Erweiterung hänge von einer sorgfältigen Abwägung der verschiedenen Interessen und Herausforderungen ab, um weiterhin eine starke Europäische Union zu gewährleisten.