Falschinformationen, besser bekannt als Fake News, sind ein weit verbreitetes Phänomen der heutigen Zeit. Vor allem im Wahlkampf kursieren unzählige Halbwahrheiten im Netz herum, so auch nun kurz vor der Europawahl. Welche Intention hinter der Verbreitung von Falschnachrichten steckt und wie sich dies auf die anstehende Wahl auswirkt, erklärt Thomas Prager. Der studierte Journalist ist Mitbegründer des Digitalen Kompass, ein Unternehmen mit Bildungsauftrag zu Medienkompetenz. Regelmäßig besucht er mit seinen Mitarbeitenden Schulen und weitere Bildungsstätten und klärt über Fake News und weiter Gefahren im Netz auf. Ein Projekt des Unternehmens ist das TikTok Medium Bait, der Kernauftrag ist Aufklärungsarbeit rund um das Thema Fake News. Das Gespräch mit Thomas Prager wurde von Edina Rainer geführt.
Rainer: Das Aufkommen von Desinformationen ist bereits seit einigen Jahren ein großes Problem, das sich vor allem auf den sozialen Plattformen abspielt. Wer steckt hinter der Verbreitung dieser Unwahrheiten?
Prager: Meiner Meinung nach lässt sich das nicht so einfach pauschalisieren. Mit dem Aufkommen der großen Social Media Plattformen vor ungefähr 20 Jahren hat man eine neue Art der Kommunikation geschaffen, bei der Nutzerinnen und Nutzer aktiv eingebunden sind. Grundsätzlich kann also jeder anonym posten was er möchte, egal ob wahr oder falsch. Zudem haben wir auch immer mehr mit Bots, also Accounts, die nicht von einer realen Person geführt werden, zu kämpfen. Abgesehen davon verbreiten auch die politischen Parteien häufig Informationen mit geringem Wahrheitsgehalt, mit dem Ziel die Wählerschaft zu beeinflussen. Ebenso in den Medien werden Halbwahrheiten veröffentlicht, meist wegen unzureichender Recherche und Zeitstress.
Rainer: Mit welcher Intention geben Politikerinnen und Politiker, vor allem jetzt vor der anstehenden Wahl, unwahre Fakten wieder?
Prager: Es gibt verschiedenste Motive für die Vermittlung von Fake News, eines davon ist die gezielte Steuerung der Wählerschaft. Wenn Politikerinnen und Politiker bewusst Desinformationen verbreiten, dann wollen sie bei ihren potenziellen Wählerinnen und Wählern Gefühle erwecken und Stimmungen beeinflussen. Mit diesem Verhalten möchten sie ihre politischen Gegner schlecht darstellen, manchmal wollen sie auch die Menschen davon abhalten, wählen zu gehen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Fall Cambridge Analytica, bei dem das Beratungsunternehmen im Jahr 2016 Falschmeldungen über Hillary Clinton an Personen mit afroamerikanischem Hintergrund gesendet hat. Man war sich bewusst, dass diese Personen nicht zur Zielgruppe von Donald Trump gehören, weswegen hier die Idee war, den Wahlgang bei diesen Menschen zu verhindern. Es ist offensichtlich, dass dieses Verhalten im Wahlkampf absolut inakzeptabel ist, dennoch schließe ich nicht aus, dass sich auch in Europa ein ähnliches Szenario abspielen wird. Wie genau die Falschnachrichten das Wahlverhalten und die Wahlbeteiligung für die EU-Wahl beeinflussen, lässt sich momentan nicht prognostizieren.
Rainer: Welche politischen Parteien in Österreich verbreiten die meisten Fake News im aktuellen Wahlkampf?
Prager: Auch in diesem Fall ist es wieder schwierig, einen einzigen Schuldigen zu nennen, da nicht immer klar ist, ob die Falschinformationen mit Absicht weiterverbreitet werden. Wir haben in Österreich den Fall, dass mittlerweile fast jede Partei ein eigenes Onlinemedium besitzt. Ziel von unzensuriert, Kontrast (Anm.: unzensiert ist das FPÖ-nahe Medium, Kontrast gehört zur SPÖ) und co. ist es nicht, eine möglichst ausgewogene Berichterstattung zu führen, viel eher geht es darum ein sympathisches Bild zu schaffen. Fakten, die zwar wahr sind, aber negativ auf die Partei wirken, werden auf diesen Plattformen dementsprechend nicht zu finden sein. Im Generellen lässt sich sagen, dass populistische Parteien eher dazu tendieren, Desinformationen zu verbreiten. Die Inhalte der Parteien erwecken einfach viele Emotionen und Reaktionen, weswegen Userinnen und User häufiger mit den Postings interagieren und den Algorithmus damit füttern.
Rainer: Eine österreichische Politikerin, die bekannt für die häufige Verbreitung von Falschnachrichten ist, ist Dr. Maria Hubmer-Mogg. Während den Coronademonstrationen ab 2020 hat sie häufig Interviews im FPÖ-TV abgegeben und dabei zahlreiche Fake News über das Coronavirus und die Impfung verbreitet. Inzwischen ist sie nicht mehr als Ärztin tätig, jedoch kandidiert sie als Spitzenkandidatin der DNA-Partei für die Europawahl. Sollte der Wahlantritt in diesem Fall eingeschränkt beziehungsweise verboten werden?
Prager: Es ist natürlich bedauerlich, dass die Spitzenkandidatin einer Partei ein solches Verhalten an den Tag legt. Falsche Fakten zu Gesundheitsthemen können sich nicht nur auf die Gesundheit einzelner Personen negativ auswirken, sondern auch auf die Gesellschaft als Ganzes. Ein Verbot zur Kandidatur fände ich dennoch zu weit gegriffen. Wir leben in einem Land, bei dem die Meinungsfreiheit einen großen Stellenwert einnimmt. Es sind bereits Konsequenzen gezogen worden, Hubmer-Mogg darf keinen medizinischen Beruf mehr ausüben. Wenn wir einen Blick nach Russland werfen, sehen wir, wie problematisch es ist, wenn eine staatliche Behörde bestimmen kann, wer für die Wahl kandidieren darf und wer nicht. Anstatt den Wahlantritt zu verwehren, ist es also viel wichtiger, die Menschen im Land mit transparenten Informationen über Fake News aufzuklären. Vor allem für die Medien sollte das der Kernauftrag sein, wie es bei den meisten Qualitätsmedien der Fall ist.
Rainer: Welche Maßnahmen müssen Österreich und die EU ergreifen, damit Fake News nicht mehr so einfach verbreitet werden können?
Prager: Wie bereits erwähnt, werden die meisten Desinformationen im Internet publiziert. Dadurch, dass man von überall aus auf die Inhalte zugreifen kann, braucht es auf jeden Fall transnationale Gesetzte. Mit dem Digital Services Act (Anm. der Digital Services Act ist eine EU-Richtlinie, welche die Rechte und Pflichten von digitalen Diensten regelt) ist bereits ein wichtiger Schritt getan worden, dennoch stehen wir noch vor vielen Hürden. Wünschenswert wäre etwa ein EU-weites Gesetz zur Rundfunkregelung, damit auch Vorgänge wie etwa die Auflösung des Rundfunks in der Slowakei nicht so schnell passieren können. Auf nationaler Ebene wäre eine gesetzliche Absicherung des Qualitätsjournalismus wünschenswert, wir sehen ja deutlich, dass hier ein Ressourcenmangel besteht. Bildungspolitisch soll mehr Geld in Aufklärungsprojekte investiert werden, denn Medienkompetenz ist heutzutage wichtiger denn je. Letzten Endes gibt es zahlreiche Punkte, an denen wir sowohl national als auch international ansetzen müssen, wenn wir das Problem Fake News effektiv eindämmen wollen.
Begriffsklärung: Fake News, Desinformation, oder doch Falschinformation?
- Fake News sind Informationen, die einen geringen beziehungsweise keinen Wahrheitsgehalt aufweisen. Vor allem Politikerinnen und Politiker bedienen sich häufig an diesem Begriff, so hat etwa Donald Trump im Jahr 2008 den Terminus weitgehend bekannt gemacht. Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es keine eindeutige Definition. Viel eher kann Fake News als Überbegriff von Falsch- und Desinformationen verstanden werden.
- Mit Desinformationen sind unwahre Tatsachenbehauptungen gemeint, die bewusst in die Öffentlichkeit hinausgetragen werden. Die Absichten hinter der Verbreitung sind sehr unterschiedlich, unter anderem stehen politische oder ökonomische Ziele im Vordergrund. Die Wissenschaft bedient sich häufig an dem englischen Begriff misinformation, gemeint ist hiermit dasselbe wie bei Desinformation.
- Fehlinformationen hingegen sind jene Nachrichten, die zwar ebenso unwahr sind, jedoch nicht absichtlich als Falschinformation verbreitet werden. Häufig sind ungenaue Recherchen oder irreführende Statistiken die Ursache für dieses Phänomen. Ebenso der Zeitfaktor spielt eine große Rolle, etwa wenn es Medien passiert, dass sie Fehlinformationen verbreiten.