Die nächste EU-Wahl steht an, die Kandidat:innen stehen in den Startlöchern, bald treten wieder Millionen von Menschen an die Urnen, um die Mitglieder des europäischen Parlaments zu wählen – so auch in Österreich. Ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen: Was haben die Österreicher:innen, die vor fünf Jahren nach Straßburg entsandt wurden, in der vergangenen Legislaturperiode geleistet? Was haben sie vorangebracht? Welchen Karren haben sie aus dem Dreck gezogen und welchen haben sie hineingeschoben? Ein Blick auf die österreichischen Vertreter:innen in EVP und S&D.
Die Truppe
Von den 19 Abgeordneten aus Österreich gehören mit 34,55% der 2019 von den Wählenden abgegebenen Stimmen sieben der Fraktion der EVP und mit 23,89% fünf jener der S&D an – ein nettes Sümmchen. Somit wird Österreich in den beiden größten EU-Fraktionen durch zwölf Angehörige vertreten. Diese verteilen sich in der Heimat auf zwei verschiedene Parteien: Alexander Bernhuber, Othmar Karas, Lukas Mandl, Wolfram Pirchner, Christian Sagartz, Barbara Thaler und Angelika Winzig gehören der ÖVP an, Hannes Heide, Theresa Bielowski, Evelyn Regner, Andreas Schieder und Günther Sidl sind von der SPÖ. Bereits längere Erfahrung hat Othmar Karas von der ÖVP, der seit 1999 im europäischen Parlament sitzt. Nach akademischer und politischer Tätigkeit in Österreich übernahm Karas mit Antritt seines Mandates im Laufe der Jahre verschiedene Ämter im EU-Parlament, unter anderem den Sitz des ersten Vizepräsidenten. Evelyn Regner von der SPÖ hatte in der vergangenen Legislaturperiode das Amt der Vorsitzenden des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter inne und mischte außerdem im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten mit. Andreas Schieder geht bei den Wahlen 2024 erneut als Spitzenkandidat der SPÖ in das Rennen.
Was bisher geschah
Die letzten fünf Jahre waren turbulent, sie waren laut. Auch Österreichs Politker:innen haben ihre Stimmen erhoben. Othmar Karas ließ beispielsweise immer wieder seine Meinung zum Russland-Ukraine-Konflikt verlauten, Theresa Bielowksi machte auf Klimathemen aufmerksam. Folgten den Worten Taten?
EVP
In der Folge soll hier kurz auf die Bestrebungen und die Aktivitäten der EVP eingegangen werden, welcher die ÖVP angehört. Während der vergangenen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments nahm die EVP eine maßgebliche Position ein, indem sie die europäische Politik entscheidend mitgestaltete. Durch ihre Schwerpunkte auf wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum setzte sich die Fraktion energisch für Investitionen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit ein. Österreichische Vertreter:innen waren entscheidend an der Entwicklung von Gesetzesvorschlägen und Strategien beteiligt, um diese Ziele zu verwirklichen. So beispielsweise erst im vergangenen Dezember bei einer Abstimmung Verbesserung der Versorgung der EU mit kritischen Rohstoffen, die u.a. in Elektroautos, Solarpaneelen und Smartphones enthalten sind. Das Gesetz, dem grünes Licht gegeben wurde, zielt darauf ab, die EU wettbewerbsfähiger zu machen und ihre Souveränität zu stärken. Bis auf eine abwesende Abgeordnete stimmten die österreichischen Vertreter:innen der EVP geschlossen für das Gesetz. Einstimmig befürwortet wurde auch eine Überarbeitung der EU-Regeln zum Geoblocking, die den Online-Handel beeinflussen soll. Auch bezüglich eines Handlungsinstruments, das es der EU ermöglicht zu reagieren, wenn Drittstaaten die EU oder ihre Mitgliedstaaten durch wirtschaftliche Erpressung beeinflussen wollen, war man sich einig.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Bewältigung der Migrationskrise und der Stärkung der europäischen Sicherheitsmaßnahmen. Hier engagierte man sich für eine koordinierte und humanitäre Migrationspolitik, die auch die Aspekte der Sicherheit berücksichtigte. Zustimmung gab es von Seiten der österreichischen Mitglieder der EVP für Hilfspakete für die Ukraine, für die Stärkung der europäischen Sicherheit und für Kritik an den Verbrechen der Hamas.
Zusätzlich intensivierte die EVP ihre Bemühungen im Bereich des Klimaschutzes und des Übergangs zu sauberer Energie. Politiker:innen aus Österreich spielten eine aktive Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zum Umweltschutz. Man sprach sich unter anderem für das achte Umweltaktionsprogramm der EU, das die Umweltpolitik der EU bis 2030 steuern und mit dem Europäischen Grünen Deal in Einklang bringen soll, sowie für den Ausbau von Offshore-Energiequellen und den Kampf gegen Greenwashing aus.
S&D
Ein zusammenfassender Blick wird auch auf S&D geworfen, welcher die Abgeordneten der SPÖ angehören. Während der letzten fünf Jahre setzte sich die Fraktion für verschiedene politische Initiativen ein, die eine breite Palette von Themen abdeckten. Ein Hauptanliegen war die Förderung sozialer Gerechtigkeit und die Stärkung der Rechte von Arbeitnehmer:innen. Man engagierte sich aktiv für Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit, tat die eigene Meinung jedoch auch durch Abstimmungsverhalten kund. So stimmten die österreichischen S&D-Mitglieder beispielsweise für verstärkte Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer:innen, die im Kontakt mit Asbestfasern sind und ebenso für mehr Sicherheitsvorkehrungen für Journalist:innen. Auch für gerechte Bezahlung und allgemeine Fairness und Nachhaltigkeit im Feld des Musikstreamings wurde zustimmend abgestimmt.
Darüber hinaus setzte sich die S&D für eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik ein und betonte die Bedeutung von Solidarität und Integration. Österreichische Mitglieder beteiligten sich maßgeblich an der Entwicklung und Umsetzung von Strategien, die auf eine humane und effektive Migrationspolitik abzielten.
Der Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung nachhaltiger Entwicklung waren wichtige Anliegen der Fraktion. Man setzte sich für Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung erneuerbarer Energien ein. Bei Abstimmungen zur vermehrten Nutzung erneuerbare Energien, zu strengeren Grenzwerten bezüglich Luftverschmutzung und zur Einführung eines einheitlichen Ladekabels, gaben die österreichischen Fraktionsmitglieder ihre Zustimmung ab.
Fortsetzung folgt
Trotz aller Bemühungen in ihren jeweiligen Fraktionen scheint sich am Elan der österreichischen Abgeordneten im Vergleich zur Zeit ihres Antrittes einiges geändert zu haben. Auffallend ist, dass es auf den persönlichen Kanälen der Politiker:innen im letzten Drittel der Wahlperiode ruhiger geworden ist. So zum Beispiel auf der Homepage von Othmar Karas, der seit September 2022 nichts mehr gebloggt hat. Ging den österreichischen Parlamentarier:innen gegen Ende der Legislaturperiode die Puste aus? Wäre ein Boxenstopp schon länger fällig gewesen? Geben manche nun dankend das Zepter weiter? Einige Antworten lassen sich bestimmt im Zuge des Wahlkampfs finden, selbst wenn sie bereits früher von Nutzen gewesen wären. Spannend bleibt es allemal.