Am 22. Mai fand im Topkino unter dem Motto „Discount Workers“ eine lehrreiche Veranstaltung zum neuen EU-Lieferkettengesetz statt. Der Abend gliederte sich einerseits in die Präsentation des gleichnamigen Kinofilms, andererseits in eine Podiumsdiskussion. Dabei wurde das Hauptaugenmerk auf Ethik in der Wirtschaft, Menschenrechte, und die Handlungsmöglichkeiten der EU gelegt. Der Hauptorganisator des Events war Nesove, eine österreichische Plattform, die sich für ethische Wirtschaftsstandards einsetzt.
„Discount Workers“ – Tragödie mit Nachgeschmack
Es ist 18:00 im Topkino im 6. Wiener Gemeindebezirk und der kleine Kinosaal wird dunkel. „Discount Workers“ erscheint in roter Farbe auf der Leinwand und sogleich findet man sich in Pakistan wieder. Am 11. September 2012 starben bei einem Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi, Pakistan 258 Menschen. Die Fabrik war einer der Hauptzulieferer von KiK (Kunde ist König). Das Feuer konnte sich so schnell ausbreiten, weil es keine Fluchtwege gab und die Fenster noch dazu vergittert waren. Die Hinterbliebenen nehmen nun KiK in die Mangel, da er als Hauptabnehmer der Fabrik für sichere und humane Arbeitsbedingungen hätte sorgen sollen. Der Film begleitet in den nächsten 75 Minuten die Hinterbliebenen bis nach Deutschland, auf ihrem Weg nach einer Aufarbeitung der Geschehnisse und nach Gerechtigkeit. Letztendlich gibt es allerdings weder Entschädigungsleistungen noch eine Verbesserung der Situation der Arbeiter:innen. Der Film endet mit einer Aufzählung weiterer tragischer Vorkommnisse in ähnlichen Textilverarbeitungsfirmen.
Nach der Filmvorführung fand die Podiumsdiskussion statt, welche die tragischen Ereignisse von Karachi als Ausgangspunkt hatte. Auf politischer Seite waren Julia Herr, Umweltsprecherin der SPÖ und Ines Vukajlovic, auf Listenplatz drei der Grünen für die kommende Europawahl, vertreten. Außerdem waren noch Bettina Rosenberger, die Geschäftsführerin von Nesove und Christopher Patzer zu Gast. Letzterer ist Produzent des Films „Discount Workers“ und setzt sich auf europäischer Ebene für mehr Unternehmensverantwortung ein. Sie alle plädieren für eine menschenrechtliche Fürsorgepflicht seitens der Unternehmen, die mit konkreten Risikoanalysen und Maßnahmen einhergehen solle. Damit solle sichergestellt werden, dass Schäden und Unfälle, wie sie in Karachi passiert sind, gar nicht mehr eintreten können. Dabei müsse man besonders Betroffene des globalen Südens in den Fokus stellen.
Unternehmen in die Pflicht
Konkret gehe es bei den Maßnahmen um weit mehr als nur Audits, die vereinzelt stattfinden und häufig von anderen Unternehmen durchgeführt werden. Global produzierende Unternehmen müssen selbstständig tätig werden, um ihre Lieferkette und ihre Produktionsbedingungen zu überprüfen. Dabei müssten Unternehmen auch innovationsbereit sein und neuartige Konzepte entwickeln, etwa beim Brandschutz. Ein weiterer zentraler Punkt des neuen Lieferkettengesetzes ist die zivilrechtliche Haftung der Unternehmen, falls es zu Verstößen kommen sollte. Die Einhaltung des Gesetzes werde durch eine eigene Agentur sichergestellt, die jeder EU-Mitgliedsstaat verpflichten muss. Dabei sei aber noch nicht geregelt, über wie viele personelle als auch finanzielle Ressourcen diese Agentur haben soll. Auch die Frage, inwiefern ökologische Standards etabliert werden sollen, ist noch nicht in Stein gemeißelt.
Bremse seitens der anderen Parteien
Julia Herr erwähnte in diesem Zusammenhang, dass dieses neue Gesetz noch nachgeschärft werden müsse. Gleichzeitig sei sie aber froh, dass sich in diesem Bereich überhaupt etwas bewegt. Immerhin sei ihre Partei, die SPÖ, gemeinsam mit den Grünen, die einzigen gewesen, die solch ein Gesetz schon auf nationaler Ebene eingefordert hätten. ÖVP, NEOS und FPÖ hätten sich auf Regierungsebene bei der Abstimmung zum Gesetzesentwurf enthalten, was ihrer Meinung nach einer Ablehnung gleichkomme. Die Argumente, die sie von der ablehnenden Seite höre, wären dabei immer dieselben. Es gehe um eine Angst vor überbordender Bürokratie und damit einhergehend um die Abwanderung von Unternehmen. Laut Herr solle aber genau dieses Gesetz bei den nächsten Regierungsverhandlungen in das Programm aufgenommen werden, und sogar noch um nationale Standards nachgeschärft werden. Ihrer Meinung nach sollten dabei auch strafrechtliche Aspekte Beachtung finden.
Auch Vukajlovic kritisierte die ÖVP, die das neue Gesetz stark verwässert hätte. Sie plädierte dafür, das neue Gesetz schnell umzusetzen, um faire menschliche und ökologische Standards zu etablieren. Der Kritik seitens der ÖVP hatte sie entgegenzusetzen, dass fair produzierende Unternehmen in Österreich bereits jetzt einen Wettbewerbsvorteil hätten. Einerseits gehe es hierbei um die internationale Reputation, als auch um die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen.
Ausblick und Verbesserungsbedarf
Abschließend blieb bei allen Diskussionsteilnehmer:innen der Eindruck, dass noch viel zu tun sei. Ihrer Meinung nach sei es wichtig, dieses Thema auch vermehrt in der Zivilgesellschaft zu kommunizieren. Jeder könnte dabei einen Beitrag leisten. Außerdem gäbe es Plattformen wie Nesove, die Unternehmen die Chance bieten würden, sich zu vernetzen und für faire Arbeitsbedingungen einzustehen. Man könnte auch andenken, die UN Frauenrechtskonvention in das Lieferkettengesetz zu verankern. Gerade in der Textilverarbeitungsbranche wäre ein solcher Zusatz wünschenswert, da der Großteil der Arbeiter:innen Frauen sind. So hätten Frauen bei Diskriminierungsfällen die Chance, ihre Rechte einzuklagen. Bei der kommenden EU-Wahl sollte man die Chance nutzen, seine Stimme für die Demokratie zu erheben, damit weitere solcher Gesetze beschlossen werden können. Kurz gefasst: Es gäbe noch viel zu tun. Der volle Kinosaal lasse sie aber Hoffnung schöpfen und auf eine positive Entwicklung hoffen.