Im Gespräch mit Sabine Berger: Ein Blick hinter die Kulissen der Europäischen Kommission

Sabine Berger gehört zur Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. Sie
fungiert als Leiterin des Bereichs Presse und Social Media und arbeitet seit 2019 in dieser Position in Wien, zuvor war sie Brüssel tätig. Von 2002 bis 2011 arbeitete Berger als Journalistin. Bei einem Besuch in unserer Lehrveranstaltung spricht sie über ihr Tun und Wirken.

Brücken

Über die Wahlergebnisse plaudert Sabine Berger nicht – das lässt ihre Position nicht zu, agiert die Europäische Kommission doch überparteilich. Die österreichische Vertretung derselben sieht Berger als Organisation mit Brückenfunktion. Sie vernetzt Österreich mit der Europäischen Kommission und schafft Verbindungen.

Wichtig ist Berger die Kommunikation, die oft herausfordernd sein könne, da „Brüssel“ auf Ablehnung stoße. Es gebe viele schwierig erreichbare Menschen, die der EU gegenüber negativ gestimmt seien. Diesen müssen man zeigen, dass man ihnen zuhöre, so Berger. Sie habe teilweise das Gefühl, dass die Menschen Europa als fremden Stern sehen, der Gesetze von sich schießt. Man lese und höre so oft „Brüssel will“ und „Brüssel hat entschieden“, Erfolge werden nationalisiert, Schlechtes werde auf Brüssel geschoben. „Mir tut die Stadt Brüssel manchmal direkt leid“, sagt Berger und betont, dass auch Österreich hier Aufholbedarf habe. Es gebe so viele Freiheiten auf dem Gebiet der EU, man müsse sich um Sichtbarkeit bemühen. In dieser Hinsicht hätte der Wahlkampf einen positiven Einfluss gehabt.

Allgemein achte man in der Europäischen Kommission sehr auf Transparenz, durch die vielen Akteur:innen und Verfahren sei das unerlässlich. Darum habe man für jeden Themenbereich eigene Sprecher:innen für Pressekonferenzen. Auch das Lobbyingregister unterstütze die Transparenz.

Kommission

Sabine Berger erklärt, wie die Europäische Kommission strukturiert ist. Die Kommissar:innen
werden von den Mitgliedsstaaten der EU nominiert, ihre Nationalität darf im Gremium jedoch
nicht mehr von Belang sein – man handle schließlich überparteilich. Das Parlament kann einen Austausch von Kommissar:innen herbeiführen. Ist die Kommission vom EU-Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten bestätigt, kann sie sogleich das Amt antreten und die Arbeit aufnehmen.

Thematisch beschäftige man sich in der Europäischen Kommission seit zwei Jahren sehr mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Berger, weist darauf hin, dass Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission in der letzten Legislaturperiose, schon seit einiger Zeit darauf plädiert einen Verteidigungskommissar einzusetzen. Ebenfalls wichtig sei der Klimaschutz. Der European Green Deal beschäftige das Europäische Parlament, ebenso mit dem vieldiskutierten Verbrennerverbot. Berger erzählt, dass man derzeit ein gemeinsames Ziel für 2050 habe, jedoch keines für 2040. Ein solches auszuarbeiten, sei die Aufgabe der neuen Kommission und der neuen Parlamentarier:innen. Wichtig sei außerdem die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China, die Erweiterung der EU und die damit zusammenhängenden Beitrittsverhandlungen sowie die Digitalisierung. Berger meint, es sei durchaus auch wichtig, welche Themen im öffentlichen Diskurs präsent sind. Eine große Rolle – besonders im alpinen Raum – spiele beispielsweise die Debatte um den Wolf.

Strukturen

Berger erzählt auf Nachfrage davon, dass auch Forderungen nach einer EU-Armee, den Battle Groups, im öffentlichen Diskurs lauter werden. Sie persönlich sehe eine Umsetzung nicht am nahen Zeithorizont. Nationale Heere würden wohl noch länger bestehen, es brauche jedoch mehr Kooperationen. Einblick gibt die Bereichsleiterin auch in den Alltag im Haus der Europäischen Union in Wien. Sie erzählt von Zusammenarbeit, von gemeinsamen Projekten. Angeteasert wird die interaktive Ausstellung „Erlebnis
Europa“, die in mehreren Ländern gezeigt wird, so auch in Österreich.

Man arbeite sehr eng mit Brüssel zusammen und sei im ständigen Austausch mit den dortigen Büros. Einmal in der Woche gebe es ein Online-Treffen mit Kolleg:innen in anderen EU-Staaten und Sprecher:innen in Brüssel, einmal im Jahr treffe man sich persönlich. Berger erzählt, sie schreibe zehn bis 20 Mails am Tag an das Headquarter, ein Großteil ihrer Tätigkeit bestehe auch aus Recherchearbeit, dem Screening von Presse und Social Media. Es gebe Anfragen und schriftliche Interviews, zur Mittagszeit schalte sie sich zur Pressekonferenz aus Brüssel. Dreimal die Woche stehe das Schreiben eines Newsletter der österreichischen EU-Kommissionsvertretung an, jener aus Brüssel flattert täglich in die Welt hinaus.

Änderungen werde es durch die Wahlen im beruflichen Alltag nur bedingt geben, so Berger. Einige Themen lägen schon auf dem Tisch und seien aufzugreifen, allerdings gebe es nun neue Aspekte, Initiativen und Prioritäten. Am Ablauf werde sich aber nicht allzu viel ändern.

Berger erzählt, dass sie glücklich sei in Wien zu sein, sie habe sich nach ihrer Zeit in Brüssel wieder gut in ihrer Heimat eingelebt. Der rege Austausch, den ihr Job mit sich bringt, scheint schwunghaft und harmonisch – eine Brücke eben.

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