Am Mittwoch, 29. Mai fand im Haus der Europäischen Union eine Diskussionsrunde der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), in Kooperation mit der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft Bau—Holz statt. Es sprachen Evelyn Regner (Vizepräsidentin des Europaparlaments), Josef Muchitsch (Vorsitzender Gewerkschaft Bau-Holz), Rolf Gleißner (Leiter Sozial- und Gesundheitspolitik, Wirtschaftskammer Österreich) und Univ.-Prof. Harald Oberhofer (Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor, tätig im WIFO und an der WU).
EBÖ-Generalsekretärin Sabine Radl betont bereits mit ihren Begrüßungsworten, wie wichtig die anstehenden Wahlen sind. Sie spricht von einem Europa, das sozial sein kann. Als EBÖ – einem Bund proeuropäischer Zivilist:innen, so Radl – wolle man einen Beitrag leisten, unter anderem mit dem anstehenden Gespräch.
Sozialpolitik
Moderatorin Martina Madner ergreift das Wort. Sie spricht das Thema Sozialpolitik an. Regner steigt in das Gespräch ein, sie bezeichnet die vergangene Legislaturperiode des Europäischen Parlament als aus sozialpolitischer Sicht erfolgreich. „Wir haben einiges vorzuweisen, das für alle Menschen toll ist“, beteuert die Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Besonders wichtig sei beispielsweise der Beschluss der Mindestlohnrichtlinie gewesen, man könne jedoch allgemein trotz ungünstiger Hintergründe eine hervorragende Bilanz ziehen.
Rolf Gleißner bekennt sich als Fan der Sozialpartnerschaft. Positiv scheint ihm auch, dass es in Europa geringere Unterschiede in der Gesellschaft gebe als anderswo. Der Abteilungsleiter hat Legosteine mitgebracht, die pyramidenförmig angeordnet sind. Er stellt die Figur auf den Kopf, zeigt wie instabil sie in dieser Position ist. Die Pyramide wackelt vor den Augen des Publikums gefährlich, während Gleißner aufklärt: Die Pyramide steht für die Altersverteilung, die Schuld am BIP sei. Durch die im Vergleich zur jener älterer Menschen geringen Anzahl junger Menschen, werde es in Zukunft zu erheblichen Problemen in der Wirtschaft kommen. Gleißner spricht von der EU als wunderschönes Haus, dessen Fundament bröckelt, unsicher ist. „Muss man an den Klimawandel und an den Gender Pay Gap denken, oder kümmert man sich um das Fundament?“, fragt er. Im selben Zug kritisiert Gleißner die Lohntransparenz. Regner argumentiert gegen seine Aussagen. Man müsse Innovationen in die Zukunft investieren.
Dass die Jugend keine Hoffnung in die EU habe, bereite Muchitsch große Sorgen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz betont, welche Chancen die Europäische Union berge. „Europa ohne soziale Dimension ist nicht Europa“. Es sei sein Auftrag und derer seiner Mitstreiter:innen viele Menschen von Europa zu überzeugen, allerdings gebe es in der gemeinsamen Union noch einiges zu tun.
Wirtschaftswissenschaftler und Universitätsprofessor Oberhofer spricht sich für Weitblick aus. Man müsse, nachdem man bezüglich sozialer Maßnahmen in Kenntnis sei, weiterdenken. So solle es ein Instrument der EU sein, Unterschiede abzubauen. Aktive Wettbewerbspolitik sieht Oberhofer als Konsument:innenschutz, sie sei sozial. Über Agrarpolitik möchte er nicht sprechen.
Ethik
Moderatorin Madner spricht die Ethik an. Wie wirtschafts-. unternehmens- und beschäftigtenfreundlich ist die Europäische Union? Muchitsch antwortet. Seiner Meinung nach sei der unfaire Wettbewerb problematisch. In der EU gelten zwar theoretisch für alle dieselben Regeln, die Praxis sei aber anders. Es gebe Akteur:innen, die die Hausordnung der EU nicht akzeptieren, dies führe zu Turbulenzen. Muchitsch greift Gleißners Bild des wunderschönen Hauses auf. Man müsse keinen weiteren Stock, oder Balkon bauen, sondern grundsanieren.
In der Folge diskutiert die Runde über Strafen und Sanktionen. Muchitsch beklagt, dass sich das Betrügen in der EU auszahle. „Die Strafen müssen mindestens gleich hoch sein wie das Bescheißen“, sagt er. Regner plädiert ebenfalls für die Verhängung von Sanktionen. Die Überwachung, das Sammeln von Zahlen, Daten und Fakten sei wichtig, jedoch allein zu wenig. Muchitsch fügt hinzu, dass es von Relevanz wäre, bestimmten Aufsichtsräten das Sanktionieren zu erlauben. Wichtig sei es auch, auf nationaler Ebene einzufordern das die eigenen Vertreter:innen zur EU stehen, sagt Regner. „Die, die nationalistisch sind, stimmen gegen alles und beschweren sich dann, dass die Union nichts weiterbringt. Die EU-Zerstörer:innen sind die, die sagen die EU bringt nichts.“
Zukunft
Gegen Ende der Diskussion ergreift Gleißner erneut das Wort. Er betont, dass zu viel Bürokratie für Unternehmer:innen ein rotes Tuch sei. Außerdem müsse man das Potential am Arbeitsmarkt ausschöpfen. Die Schlussworte gehören Regner: „Kinder sind unsere Zukunft. Europa ist unsere Zukunft.“