Am 9. Juni konnten die Österreicher/innen an der EU-Wahl teilnehmen. Nun stehen die Ergebnisse der Wahl fest. Um mehr über die Stimmung der Menschen nach der Wahl herauszufinden, haben wir am Tag nach der EU-Wahl Befragungen auf den Straßen des 9. Bezirks in Wien durchgeführt.
,,Enttäuscht, aber nicht überrascht“
Die 27-jährige Konsultantin hat an der EU-Wahl teilgenommen, ist aber mit den Ergebnissen gar nicht zufrieden: „Ich war schon enttäuscht, als ich die Ergebnisse gesehen habe, aber auf der anderen Seite bin ich eigentlich gar nicht überrascht. Ich glaube, dass das Ergebnis das Klima, in dem wir leben, ganz gut widerspiegelt.“ Eine negative Überraschung war für sie auch die mangelnde Teilnahme von jungen Menschen an der Europawahl.
,,Europa bringt Vieles für uns alle“
Unzufrieden mit dem Ergebnis war auch ihr Kollege aus Frankreich: „Ich habe an der Wahl in Frankreich teilgenommen, wo jetzt zum ersten Mal eine rechte Partei gewonnen hat. Das finde ich wirklich traurig.“ Auch er findet es alarmierend, dass nur so wenige junge Menschen gewählt haben. Obwohl Österreich nicht sein Heimatland ist, ist er trotzdem von den EU-Wahlergebnissen in Österreich enttäuscht: „Ich bin ein bisschen überrascht, dass so viele Menschen hier in Österreich immer noch gegen Europa wählen, weil es für uns alle Vieles bringt, vor allem für uns Ausländer. Es ist ein bisschen traurig.“
,,Ich fühle mich ein bisschen wie zurück in die 30er Jahre versetzt“
Die 35-jährige Heilmasseurin fühlt sich nach der Wahl extrem frustriert: „Ich finde es sehr traurig und enttäuschend, dass Menschen immer wieder auf Populisten reinfallen und dass anscheinend viele Menschen jemanden suchen, der auf eine Art ein Führer ist.“ Sie kritisierte nicht nur die Siegerpartei FPÖ, sondern stellte sich auch klar gegen die ÖVP: „Ich finde, dass die ÖVP eigentlich das gleiche Parteiprogramm hat, aber sie macht das Ganze irgendwie salonfähiger. Die FPÖ hat eine aggressivere Sprache, aber die ÖVP hat meiner Meinung nach nicht sehr viele Unterschiede zur FPÖ, sie transportiert es nur gesellschaftsfähiger.“
Als sehr unangenehm empfindet sie Konfrontationen mit andersdenkenden Menschen, zu denen es manchmal auch während ihres Arbeitsalltags kommt. Auch von der Situation europaweit ist sie entsetzt: „Ich frage mich, ob es überhaupt in irgendeinem Land besser wäre, weil jetzt fast überall die Tendenz da ist. Ich frage mich auch, warum so viele Menschen so wählen, warum circa 50% der Menschen eine konservativere Politik wollen. Ich fühle mich ein bisschen wie zurück in die 30er Jahre versetzt. Auch viel von der Rhetorik kommt aus der Zeit vor den Nazis. Dabei muss man doch irgendwelche Warnsignale in sich spüren.“
,,Um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht informiert genug gefühlt, um zu wählen“
Der 21-jährige Theater-, Film- und Medienwissenschaften-Student hat an der EU-Wahl am Sonntag nicht teilgenommen: „Um ehrlich zu sein, habe ich mich nicht informiert genug gefühlt, um zu wählen. Ich habe mich nie so richtig für Politik interessiert und ich glaube, dass ich nicht in der Lage bin, eine solche Entscheidung zu treffen.“
,,Ich hoffe, dass es trotzdem in Europa noch irgendwie friedlich weitergehen kann“
Als besorgniserregend beschrieb eine Wiener Pädagogin das Wahlergebnis: „Ich bin sehr unglücklich über diese Wahl und finde das ganz furchtbar. Ich hoffe, dass es trotzdem in Europa noch irgendwie friedlich weitergehen kann.“ Auch sie äußerte die Vermutung, dass die geringere Bereitschaft der jüngeren Menschen vielleicht Schuld an dem Wahlergebnis sein könnte: „Ich weiß zwar nicht genau, wer diese Wahl vorwiegend bestimmt hat, aber ich hoffe auf einen Umschwung, der doch noch stattfindet. Weil diese Entwicklung, wie sie gerade stattfindet, finde ich höchst bedenklich.“
Generell könnte man aus den Ergebnissen dieser Straßenbefragung vermuten, dass die Wiener Bewohner/innen sich nach der EU-Wahl eher unzufrieden fühlen. Auf der anderen Seite ist aber auch wichtig zu beachten, dass im Bundesland Wien die Wahlergebnisse unterschiedlich zu dem Rest des Landes waren, was auch der Grund für dieses Meinungsklima in Wien sein könnte.