Wahlkampftraining bei den Grünen: Wie kämpft man sich durch die aktuelle Situation?

Gepflasterte sonnige Straße mit Wahlkampfstand, an dem eine Person sich Flyer ansieht

Am Donnerstagabend, den 23. Mai, luden die Grünen im Rahmen ihrer Mitmach-Aktionen zum Wahlkampftraining ein. Ort des Geschehens war der Parteihauptsitz im dritten Bezirk, durch den Abend führten Marco Schreuder und Susanne Nückel.

Marco Schreuder gehört der grünen Fraktion des Bundesrats an. Seit 2018 ist er Bundesleiter der Grünen Wirtschaft, außerdem war er von 2012 bis 2015 Bundessprecher der Grünen Andersrum. Schreuder ist beruflich als selbstständiger Kommunikationsberater tätig.

Susanne Nückel ist grüne Bezirksrätin im Wiener Bezirk Landstraße. Sie ist Sprecherin im Finanz- und Umweltausschuss und den Kommissionen für Verkehr, Zivilschutz und Sicherheit und Kleingärten. Nückel war von 2010 bis 2022 Klubobfrau. Sie ist derzeit als Sekretärin tätig und studiert Kultur- und Sozialanthropologie.

Im Hauptsitz der Grünen ist die Stimmung locker, es scheint, als begegne man sich hier auf Augenhöhe. Es wird diskutiert und gescherzt. Die aktuelle Lage, in der sich die Partei aufgrund der umstrittenen Causa Schilling befindet, nimmt man hier zwar ernst, jedoch auch mit Humor. Marco Schreuder wird im späteren Verlauf des Abends klarstellen, dass man Lena Schilling für ihren Job in Brüssel wähle und nicht für ihren Charakter.

Die Grundlagen

Zunächst widmen sich Schreuder und Nückel anderen Dingen. Es geht um die vergangene EU-Wahl, um die Veränderungen, die es seither gab. Damals sollen sich die rechten Parteien noch nicht für die europäische Union interessiert haben, mittlerweile jedoch schon. „Die Rechten haben es gecheckt, dass sie die EU verändern, möglicherweise zerstören können“, sagt Schreuder. Dies gelte es zu verhindern, jeder sei dabei wichtig.

Die Teilnehmenden werden mit Konzepten des Wahlkampfs vertraut gemacht. Es wird über Stabilisierung, Mobilisierung und Demobilisierung gesprochen, darüber wie man diese Strategien verwenden kann, um an die 500.000 Stimmen zu kommen, die beim Wahlkampfauftakt am 7. Mai am Karlsplatz zum Ziel erklärt wurden. 12% der Wähler:inneschaft müssen also ihr Kreuz auf das grüne Logo am Wahlzettel setzen, damit Lena Schilling und ihre Mitstreitenden ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt sehen. Wichtige Stichworte sind im folgenden Gespräch „Potential“ und „Nutzen“.

Was wichtig ist

Schreuder erzählt von seiner bisherigen Laufbahn, davon, dass er Teil der LGBTQIA+-Bewegung ist. Den Klimaschutz hätten ihm erst die Grünen eingepflanzt, vorher sei er bloß von der Angst vor den Neo-Nazis getrieben gewesen, sagt er. Er spannt den Bogen zur anstehenden Wahl: Der Klimaschutz und der Kampf gegen rechts seien das Allerwichtigste für die Grünen. „Nur grün wählen hilft dem Klimaschutz. Ohne Grüne wird der Klimaschutz abgedreht.“ Nückel betont, man wolle den Klimaschutz von der individuellen Ebene auf die politische Ebene heben. „Wir wollen kein Ablasssystem!“, fügt sie lachend hinzu.

Kommt Orbanisierung, kommt Niedergang

Mit Sorge spricht man über den Rechtsruck in Europa, über Orban und Putin. Man wolle Kickl und „den übrigen Rechtsradikalen“ Europa nicht überlassen, schließlich wäre schon einmal vieles ganz anders gelaufen, hätte Sebastian Kurz die alleinige Herrschaft gehabt. Daran wolle man auch die eigene Wähler:innenschaft erinnern, wäre dies doch wichtiger als so mancher privater Chat der eigenen Spitzenkandidatin.

Verwiesen wird auch auf die Spitzenkandidaten von ÖVP, FPÖ, SPÖ, NEOS und KPÖ. Auf den Folien, die an die Wand projiziert werden, liest man beispielsweise „liberale Scheinheiligkeit beim Klimaschutz“ unter Helmut Brandstätters Namen und „Liebäugelei mit Putins Russland“ unter jenem von Günther Hopfgartner.

Der Elefant im Raum

Im Austausch wird klar, dass vielen der Anwesenden die Causa Schilling nahe geht. „Der Fehler liegt nicht bei Lena, sondern bei der Überschreitung des Standards“, sagt Nückel. Auch Schreuder stellt sich hinter Schilling, äußert sich jedoch auch dahingehend, dass man als grüne Partei bezüglich Krisenkommunikation katastrophal gehandelt habe.

Es entsteht eine rege Diskussion, man spricht über eigene Prinzipien, über Wording und über Handlungsspielraum. Nückel betont: „Wir sind als grüne divers, aber wenn es wichtig ist, dann halten wir zusammen.“ In konkretem Bezug auf die Causa Schilling sagt sie außerdem: „ Ich hasse die Rechten aus tiefstem Herzen, aber auch die haben ein Recht auf ein Privatleben. Was im Keller passiert, ist für die Gesellschaft nicht relevant.“ Man wolle diese schwierige Situation gemeinsam bewältigen.

Der lange Atem

Die Teilnehmenden des Wahlkampftrainings wirken voller Tatendrang. Man wolle aufeinander schauen, so sagt man. Es werden Mailadressen bekanntgegeben, an die man sich wenden kann – für allgemeine Anliegen, oder um beschädigte Wahlplakate zu melden. Bei Apfelsaft und Hummusbrötchen wird noch geplaudert.

„In der Politik braucht man einen langen Atem“, sagt Nückel. Die Grünen wirken, als wollten sie sich den ihren mit aller Kraft bewahren.

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