Während des Webinars „Elections for the European Parliament and the Rise of the Far-Right: Which Policies Could Be in Peril?“ am 14. Mai wurde die Zukunft der Europäischen Union und die Gefahr der Zunahme rechter Parteien besprochen. Bei der englischsprachigen Onlineveranstaltung äußerten sich zu dem Thema Heather Grabbe, Alberto Alemanno und Marlène Laruelle. Das Webinar wurde in Kooperation zwischen fjum_forum journalismus und medien, Presseclub Concordia und dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen veranstaltet.
Der Grund für die Veranstaltung war die Prognose der starken Zunahme von rechts-orientierten Abgeordneten im Europaparlament bei der Europawahl 2024 und die möglichen Folgen für die gesamte EU.
Rechtes Europaparlamet-was könnte das bedeuten?
Was könnte eine rechte Mehrheit im Europaparlament für Europa bedeuten? Marlène Laruelle (Research Professor of International Affairs and Political Science und Director of the Illiberalism Studies Program an der George Washington University) stellte zu Beginn fest, dass Außenpolitik kein zentraler Punkt für die rechten Parteien ist. Viele rechte Parteien haben keine einheitlichen Werte oder Ideologien; das einzige gemeinsame Thema ist die Migration. Mittlerweile sind auch die Grenzen zwischen den traditionellen konservativen rechten Parteien und den sogenannten „far-right“-Parteien sehr fließend. Laruelle sprach mehrere aktuelle Krisen der EU an und die mögliche Auswirkung einer rechten Mehrheit im EU-Parlament darauf: Die Rechten könnten möglicherweise das Ende der finanziellen Unterstützung sowohl für die Ukraine als auch für Taiwan verlangen und sich im militärischen Konflikt im Nahen Osten wahrscheinlich auf die Seite Israels stellen. Was den Green Deal angeht, würden sie wahrscheinlich stark mit anti-ökologischem Populismus arbeiten, und eine rechte Mehrheit könnte die Entscheidungsprozesse bezüglich der Klimakrise erheblich beschleunigen. Generell wird eine rechte Mehrheit eher auf nationaler Ebene Wirkung zeigen, so Laruelle. Ihr Erfolg auf EU-Ebene wird vor allem von der Effektivität ihrer Zusammenarbeit abhängen.
Albert Alemanno (Jean Monnet Professor für Europarecht an der École des hautes études commerciales Paris) betonte ebenfalls die nationale Bedeutung der Europawahl in diesem Jahr. Eine solche „De-Europäisierung“ könnte zu einer Schwächung der europäischen Fraktionen führen. Besonders bemerkenswert findet er, dass die Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstmals eine Zusammenarbeit mit der European Conservatives and Reformists Party in Erwägung zieht. Als Beispiel, wie ein Parlament mit einer rechten Mehrheit aussehen könnte, nannte Alemanno Italien. Dort werden derzeit beispielsweise Beschränkungen der Abtreibungsrechte stark vorangetrieben. Es wird vor allem wichtig sein, wer im Europaparlament bei sozio-ökonomischen Fragen das Sagen haben wird.
Die Rechten vs Green Deal
Die Green-Deal-Expertin Heather Grabbe (Senior Fellow bei Bruegel, und Gastprofessorin am University College London und an der Katholieke Universiteit Leuven) erklärte, warum sich nun auch die Rechten für Themen wie die Klimakrise interessieren. Seit 2019 wird der Green Deal viel mehr auch in der breiten Öffentlichkeit besprochen und ist daher für viele Menschen ein sehr emotionales Thema. Genau solche Probleme sind für die rechten Parteien immer ganz zentral bei der Gestaltung ihrer Ideologien. Grabbe erwähnte auch das FPÖ-Wahlplakat, das zu Beginn des Webinars als ein Beispiel von Mirjana Tomic aus fjum gezeigt wurde. Dieses wurde mit den Plakaten von SPÖ und von den Grünen verglichen. Die rechten Parteien nutzen negative Gefühle wie Angst und Wut aus und versprechen den Menschen bei solchen emotionalisierten, komplexen Problemen einfache Lösungen. Gleichzeitig meinte aber Grabbe, dass es eher unwahrscheinlich sei, dass die Mehrheit des Europaparlaments wirklich rechts sein wird. Für viele der Rechten ist das Europaparlament eher nur eine „cash machine“, und es bleibt fraglich, inwiefern sie wirklich aktiv im EU-Parlament sein werden und wie sie zusammenarbeiten werden. Sie betonte auch die Bedeutung der möglichen Wiederwahl von Trump und welche Einflüsse das auf das Verhalten der rechten Politiker/innen im Europaparlament haben könnte.
Erfolg der Rechten erklärt
Als letzter Punkt des Programms wurden von den Sprecher/innen die Publikumsfragen aus dem Chat beantwortet.
Auf die Frage, warum sich gerade die rechten Parteien einer stärkeren Popularität erfreuen, antwortete Laruelle folgendes: Die Rechten haben die Wählerstimmen der Linken übernommen, weil sie im Gegensatz zu diesen schnelle, radikale Krisenlösungen anbieten. Ohne die linken Parteien wieder attraktiver für die Arbeiterklasse zu machen, kann man die Popularität der Rechten nicht senken, so Laruelle.
Eine andere Frage aus dem Chat erwähnte, dass sich vor allem immer mehr junge Menschen von rechten Parteien angesprochen fühlen. Als mögliche Gründe dafür nannte Alemanno Unzufriedenheit und Protest der jüngeren Generation. Zudem haben die Rechten eine sehr gut durchdachte Kommunikationsstrategie und Botschaftsgestaltung und sind stark auf sozialen Medien präsent, insbesondere auf TikTok, was bei den Jungen gut ankommt. Laruelle ergänzte, dass viele junge Europäer/innen heutzutage sehr patriotisch sind, und obwohl ihre Werte liberaler geworden sind, haben viele von ihnen eine Sehnsucht nach Autorität und sind wegen Videospielen auch mehr zur Gewalt geneigt. Das sind alles Aspekte, die es den rechten Parteien erleichtern, die jüngeren Generationen anzusprechen.
Zum Abschluss erwähnte Grabbe nochmals die Wahlplakate der drei österreichischen Parteien. SPÖ und Die Grünen haben eher nur sehr allgemeine und nichts Konkretes aussagende Slogans, während die FPÖ ihre Positionen zu Themen ganz deutlich erklärt. Solche klaren Botschaften und das Versprechen der Problemlösung können auch eine Begründung für die steigende Anzahl der Wähler/innen der rechten Parteien sein, so Grabbe.